Umgang
mit Angstgefühlen – Pema Chödrön
Frage dich: Wovor habe ich Angst? Mach eine Liste
(sie kann unter Umständen sehr lang werden): der Hund von nebenan, ein
Verwandter, deine Chefin, der Zukunft, vor Krankheit?
[...Nimm dir vielleicht jetzt beim Lesen kurz Zeit für diese Frage]
Wenn du tiefer schaust, praktizierst und immer
tiefer schaust, erkennst du, es ist die Angst nicht genug zu sein, nicht gut
genug zu sein, die Angst etwas zu verlieren, die Angst nicht geliebt zu werden.
Wir haben tief verankerte Ängste, die manchmal nicht mal verbalisiert wurden
oder nicht bewusst sind.
Wenn du tiefer und tiefer gehst, findest du mit
Sicherheit eine bestimmte Angst vor dir
selbst, Scham vor dir selbst,
Angst dich näher anzuschauen, Angst vor
dem, was du sehen wirst, wenn du dich selbst genau anschaust. Diese Angst
hat eigentlich fast jeder.
Den „mutigen Krieger“, den Krieger des Mitgefühls zu
kultivieren bedeutet, die Angst vor uns selbst anzuschauen und zu überwinden,
das ist das Herz der Praxis des Kriegers.
Das Herz der Botschaft ist, dass wir keine Angst vor uns selbst haben
müssen!
Es gibt kein lebendes Wesen, das nicht eine riesige Kreativität besitzt, das nicht eine
riesige Offenheit besitzt, es gibt
niemanden, der nicht Zärtlichkeit
und Stärke in sich hat. Warum sollte
ich eine Ausnahme sein?
Das ist es, wo wir steckenbleiben, dass wir uns selbst nicht trauen. Das ist es, wo
alles verdreht wird, wo es seltsam wird – ... sich selbst nicht vertrauen,
nicht respektieren.
Es gibt eine Quelle
des Vertrauens: Du kannst darauf vertrauen, dass, was auch immer du sagst
oder tust, du eine Antwort bekommen wirst von der Welt. Da kommt immer eine Kommunikation zurück zu dir. Auf die "Quelle
des Vertrauens" kannst du dich verlassen, nicht in dem Sinne, dass sie für dich
arbeiten wird oder dass alles gut werden wird, sondern du kannst vertrauen, dass die Welt dir immer die Informationen
geben wird, die du brauchst um Offenheit und Furchtlosigkeit zu praktizieren.
Und du wirst feststellen, dass es eine sehr
reichhaltige Welt ist, eine die nicht alle wird, wo es immer Antworten und
Botschaften für dich geben wird. Entgegen der Annahme, dass die Situationen in
der Welt, dass alle Dinge entweder ein Problem oder ein Versprechen sind, kann
man annehmen, dass die Welt eine unendliche
Fülle an Botschaften bereit hält, ein Reservoir, dass niemals austrocknet.
Es geht bloß schief, wenn du versuchst, daran zu
drehen, so dass die Dinge so laufen wie du sie gern hättest, dann bekommst du
keine klaren Botschaften mehr. Dann kannst du nicht mehr kommunizieren, kein
Mitgefühl praktizieren, mit anderen Menschen dich nicht wirklich austauschen.
Also die erste Qualität ist Vertrauen, Vertrauen in
die Fülle der Welt.
Und die zweite folgt der ersten und ist Freude oder Dankbarkeit.
Woher
kommt die Freude? Die Freude kommt daher, wenn man realisiert,
dass es niemals zu einem endgültigen Ende kommt, was auch immer heute passiert,
es ist der Samen für das was kommt, es ist ein Prozess, es ist dynamisch.
Das ist das Problem, wenn schlimme Sachen passieren,
dass wir daran festhalten, fixieren: „es wird immer so sein, so
wie dieses schreckliche Ding, das passiert ist“. Dieser schwere Fels, der um
deinen Hals hängt und dich runterzieht, runter in eine Depression oder riesige
Angst oder lähmende Selbstzweifel.
Also etwas, das man beim Thema Freude empfindet, ist
eine Art Zweifels-Freiheit, endlose
Zweifellosigkeit darüber, dass kein Gefühl endgültig für immer da ist: no feeling is final.
Es ist das Ende von einer Sache und der Beginn einer
neuen Sache, etwas Frischem. Es ist zur selben Zeit die Verwirklichung und der
Samen für das, was kommt.
Die Freude entsteht, wenn wir uns in Richtung dieser
Bewusstheit bewegen, wenn wir diese
Offenheit gewinnen und diese Haltung gegenüber der Welt entwickeln. Dann wirst
du nicht mehr hin- und hergeschleudert wie ein Ping Pong Ball.
Doch wir lieben das Auf- und
Niedergeschleudert-werden, das Drama!
Im Gegensatz zu dem anscheinend Gleichbleibenden, Langweiligen. Und daher
leiden wir. Wir entfliehen dem langweiligen
Moment: „ich putze zum millionsten Mal meine Zähne und werde es auch noch
zig Mal tun, wie öde, ich flüchte mich daher lieber in ein paar sexuelle
Fantasien, während ich Zähne putze“. (Wenn du in mein Alter kommst [Pema ist
heute eine betagte Dame], dann bist du dankbar für die wenigen, noch übrig
geblieben Zähne, die du noch hast!)
Erinnere dich: Da ist eine Dankbarkeit möglich, nicht dafür, dass alles gut geht, sondern weil
man alles als ein dynamisches Fließen
sehen kann, weil man immer Botschaften von der Welt bekommen wird, weil man
immer kommunizieren kann.
Erfolg
und Niederlage sind der Weg! Das ist ein wirklich anderer Weg [als das,
was wir uns insgeheim wünschen, nämlich dass alles toll sein sollte – deswegen
sind wir in Widerstand zu allem, das „schief geht“.] Dieser Weg ist einer, der
von einem sanften Herzen kommt und der eine furchtlose Annäherung an das Leben ist, sodass wir voll und ganz mit dem Lebensfluss sein können.
Meine Übersetzung zweier Vorträge von Pema Chödrön, gesehen bei Youtube
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