Das Leben ist stressig und wir scheitern täglich
Weihnachtszeit ist
Familienzeit. Wir erinnern uns an unsere Kindheit, bereiten unseren eigenen
Kindern ein Weihnachtsgefühl und kommen in Kontakt mit unserer Familie und der
Familie des Partners/der Partnerin.
Das ist nicht immer
leicht, das ist oftmals eher sehr herausfordernd. Gefühle, Erwartungen, gute
Absichten und wenig erfolgreiche Strategien prallen aufeinander. Ich kenne das
selbst sehr gut – und so geht bei mir mit der Weihnachtsstimmung auch manchmal
ein bitterer Beigeschmack einher. Das ist so und das darf auch so sein –
solange ich mir dessen bewusst bin und freundlich und nachsichtig mit mir
selbst umgehe.
Denn es steht außer Frage:
Wir alle wünschen uns inneren und äußeren Frieden, wollen niemanden bewusst
verletzen, wollen nett und freundlich sein, liebevoll und unterstützend. Ich
erinnnere mich jeden Tag an diese Absichten, an diese Leuchttürme, die mir
immer wieder meine eigenen Werte vor Augen halten und mir Wege und
Möglichkeiten aufzeigen.
Und ich scheitere täglich.
Ich sehe das, ich fühle das und bekomme es gespiegelt. Auch das darf sein, auch
das ist im Wandel und Prozess.
Schuldgefühle machen es nur noch schwieriger
Neulich habe ich eine
Meditation der wunderbaren Tara Brach gemacht, die mir sehr gut tat
einerseits, mir aber auch gezeigt hat, was bei mir so alles abläuft.
Es ging um Schuld, sich
schuldig fühlen, sich selbst anklagen. Tara zählte einige Dinge auf, für die
wir uns schuldig und schlecht fühlen könnten, um dem Meditierenden Beispiele zu
geben. Jedes einzelne Beispiel hat mich angesprochen. Darunter war, wie ich mit
meinem Partner umgehe, wie ich mit meinen Kindern umgehe, wenn ich in einer
Abhängigkeit bin für die ich mich schäme usw. Und ich habe mich sehr darüber
erschrocken. Tatsächlich ploppen mehrmals täglich diese Schuldgefühle bei mir
auf, Gefühle von ich kann das nicht, ich weiß es besser doch tue es nicht
besser, warum kann ich nicht anders denken, fühlen, handeln usw. Was für ein
Stress!
Ich bin momentan sehr viel
allein mit zwei kleinen Kindern, das ist ohnehin schon sehr herausfordernd. Ich
weiß, ich mache viele Dinge supergut, habe Entscheidungen bewusst getroffen und
trage nun die Konsequenzen und tue das auch gern, sehe es als
Herausforderung. (Neulich fragte mich jemand, wie es mir so geht, und es kam
heraus: ich habe ein wundervolles Leben für das ich sehr dankbar bin und
gleichzeitig erlebe ich gerade die größte Herausforderung meines Lebens.) Also
ja, ich weiß, ich mach das alles ganz gut. Und trotzdem habe ich diesen inneren
Kritiker, der mir ständig auf die Finger schaut und mir sagt, hey das war jetzt
aber echt nicht so achtsam! Was für eine Belastung, mit so einem Kritiker durch
den Tag zu gehen! Als wäre es nicht alles schon schwierig genug.
Achtsamkeit ist mehr als Stressbewältigung
Durch meine Bewusstheit
und meine Achtsamkeitspraxis bin ich sehr sensibel, durchlässig, reflektiert.
Ich erkenne Dinge, durchschaue Abläufe, spüre Verspannung, Anspannung im
Körper, lasse Gefühle zu usw. Das ist zwar ganz wunderbar (und lässt sich
ohnehin nicht mehr rückgängig machen), doch es ist auch enorm anstrengend! Und
Selbstmitgefühlspraxis hin und her, auch diese empfinde ich oft als eine stark
kognitive Leistung, die ich zusätzlich integrieren muss und mir seltener
gelingt als ich es mir wünsche.
Verursacht Achtsamkeit Stress?
Klingt schon ziemlich bescheuert, aber so kommt es mir manchmal vor. Und
gleichzeitig weiß ich, dass es nicht so ist. Dass Achtsamkeit viel mehr ist als
alles, was ich in meinen Kursen unterrichte oder überhaupt in Worte fassen
kann. Achtsamkeit hat eine große Tiefe und Breite und umfasst viele, viele
Aspekte, das ganze Leben und den ganzen Kosmos. Und ja, wenn ich tatsächlich
Gedanken an den Kosmos, das Universum, die große Lebensenergie, den Fluss, das Dasein oder
Sosein in meinen Alltag integriere, fühlt sich alles sofort viel leichter an.
In der Meditation merkte ich, wie ich mir
wünsche, dass sich jemand um MICH kümmert, mir zur Seite steht – mental und
ganz praktisch -, wie mir jemand Nettes sagt und mich stützt, mich ermuntert
und ermutigt, mir sagt, dass ich mich entspannen kann, dass es alles gut ist. Das
ist für gläubige Menschen vermutlich Gott oder Jesus, die Natur- oder Hindugötter usw. Die hab ich so nicht in mir. Ich habe aber einen
festen Glauben an das Leben und die Sinnhaftigkeit des Lebens in mir. Und ich
habe eine Vorstellung von Leichtigkeit und Gelassenheit, da ich weiß, alles
gehört zusammen, alles ist verbunden, ich bin nie allein und ich bin Teil eines
großen Ganzen, alles ergibt Sinn, jeder Fehler, jede Irrung führt mich nur
tiefer zu mir, lässt mich wachsen und neue Wege suchen. Und ich stelle mir vor,
wenn ich mich mal schlecht fühle und in der Küche Gemüse schnippel, wie mich
eine große Kraft umgibt und in eine warme, leichte Decke hüllt und mir zuraunt,
Sarina, es ist alles gut, sieh nur es ist ok, lass es fließen, lass es sein, du
kannst es schaffen, du musst nicht perfekt sein, lass die Leichtigkeit zu, lass
die Freude zu, sie ist da, gleich hier vor deinen Augen, gleich hier in deinem
Herzen.
Erkenne die Tiefe und Bedeutsamkeit deiner Praxis
Warum stecke ich hier, wo
ich stecke? Weil ich eine Aufgabe übernommen habe, die vor mir in meiner
Familie keiner konsequent übernommen hat. Ich habe die Augen und das Herz geöffnet und den
Schmerz, die Traumata, das Leid gesehen und gespürt, das meine Eltern erlebt
haben, das meine Großeltern und Urgroßeltern, meine Ahnen erlebt haben. Ich
trage in mir den Schmerz von Generationen – und gleichzeitig die Kraft der Sterne
und des Universums. Und ich habe mich entschlossen, den Schmerz zu spüren und zu
wandeln und mich der Kraft des Universums zuzuwenden und sie zu nutzen.
„Der Schmerz wandert durch die Familienlinien, bis jemand bereit ist ihn in sich zu heilen. Indem du durch die Qual der Heilung gehst, gibst du den Giftkelch nicht mehr an die nachfolgenden Generationen weiter. Es ist eine unglaublich wichtige und heilige Arbeit.“ (Netzfund auf Facebook, www.barfuß-und-wild.de)
Mitte 20 wurde mir
bewusster, was in unserer Familie ablief, wie die Erfahrungen, die ich in der
Kindheit und Jugend gemacht hatte ein Resultat der Verletzungen meiner Eltern
in ihrem Leben waren. Das hat mich enorm durchgerüttelt und ich habe mich auf
den Weg gemacht, um damit anders als bisher umzugehen - und ich bin noch immer
damit beschäftigt, durch das eigene Elternsein insbesondere. Mit Ende 20 hatte
ich einen Freund, der selbst sehr stark an sich und seiner Geschichte zu
knabbern hatte und alles Mögliche ausprobierte, um sich und seine Familie zu
heilen. Er sagte mir damals: Sarina, du hast die Kraft, die Intelligenz und
damit die Möglichkeit, den Teufelskreis zu unterbrechen. Das hat mir so gut
getan und mir viel Hoffnung und Motivation gegeben. Der Satz oben ist für mich
so wahr, so wichtig und hat mich heute beim Lesen sehr berührt.
Ich wünsche uns allen die Kraft und den Mut, den eigenen Weg aus dem Kreislauf
der Schmerzen zu gehen, Schritt für Schritt, vertrauensvoll, bewusst und
hoffentlich in Begleitung eines lieben Menschen - und wenn dieser liebe Mensch
wir selber sind, wir uns selbst an die Hand nehmen und uns von Zeit zu Zeit
selbst zuflüstern: du machst das gut, du kannst das schaffen, es lohnt sich,
alles wird gut, Sarina.
Wenn wir erkennen, was wir da eigentlich tun und versuchen und es in ein großes Ganzes einzuordnen, bekommt unser Tun mehr Sinn und mehr Tiefe. Und sehe ich immer wieder, das meine Praxis auch eine spirituelle Dimension hat. Und mir genau diese Dimension auch Tiefe, Halt und Sinn gibt und mich stärkt und trägt und beschützen kann vor den Schuldzuweisungen meines inneren Kritikers.
Achtsamkeit ist viel also mehr
als der momentan so moderne Begriff „Stressbewältigung durch Achtsamkeit“. Denn jemand der sich mit
seinem Stress beschäftigt, trifft irgendwann unweigerlich auf die Verletzungen
in der eigenen Kindheit, in den Familienlinien und in der ganzen
Weltgeschichte. Und wenn man sich dann entschließt, neue Wege zu gehen, tiefer
zu gehen, dann ist das eine heilige Arbeit. Nicht weniger. Es ist so groß und
so bedeutsam. Mindful Parenting, Friedvolle
Elternschaft, Gemeinsam wachsen und wie die Begriffe im Netz alle so heißen –
es sind so kleine dumme Wörter für etwas so Bedeutsames. Friedvoll mit seinem
Partner umzugehen, sich bewusst zu ernähren, freundlich zu sein wann immer es
geht, weniger kampfeslustig, konfliktsüchtig zu sein in Freundschaften, mit den
Familienmitgliedern oder auf der Arbeit – all das ist so groß, so tief, so
wichtig. Und so viel mehr als die „Achtsamkeits-Tools“, die uns in den Medien
und Kursen vermittelt werden als Maßnahme gegen Stress. Ja es sind wertvolle Tools und na klar geht es auch um Stress, natürlich. Aber es ist gut, in seiner Praxis eine gewisse Tiefe zu entwickeln, denn ansonsten hilft bewusst atmen oder achtsam essen vielleicht doch nicht so viel, wie alle gerade behaupten bzw. man verliert eben schnell mal wieder den roten Faden, die Motivation und den Sinn. Übungen sind Tools, die man nutzen kann, die achtsame Haltung ansich aber ist für mich ein Basic - und
das findet sich in vielen Richtungen, in vielen Religionen, im Schamanismus, in der Therapie,
im Theaterspiel, in der Kunst, im Yoga und Qigong usw.
Weihnachtszeit ist
Familienzeit. Und tatsächlich sind wir alle eine große Familie, deine Nachbarin
gehört dazu und der Kassierer bei Edeka, deine beste Freundin und auch Donald
Trump. Eine tiefempfundene achtsame Haltung lässt dich sowas spüren.
Ich wünsche uns allen,
dass wir den Frieden, die Gelassenheit, das große Ganze, das in jeder unserer
Zellen enthalten ist, dass wir das sehen und spüren können, uns daran erinnern,
dass wir es nicht kreieren müssen, sondern es nur befreien müssen. Welche Tools
dir dabei helfen, ob es Meditation oder Joggen, Sex oder Basteln oder Kochen
ist, der Glaube an Gott oder an Engel, das kannst du für dich herausfinden, jedem das Seine.
Ich
weiß, dass du auf der Suche bist, dass du auf dem Weg bist, sonst würdest du
nicht bis hierhin gelesen haben. Das ist fantastisch. Du kannst stolz und
frohgemut sein und einfach weitermachen.
Danke für deine
Aufmerksamkeit.
Ich wünsche dir einen
guten Winter, dass du Kälte und Nässe annehmen kannst, Innenschau und Besinnung
finden kannst und dich erinnern kannst an sonnige Momente und erkennen kannst,
dass die Sonne eigentlich immer scheint.
Alles Liebe
Sarina
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